Dr. med. Stefan Frings (Roche)


Bild © Roche

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Auszug Lebenslauf

Seit 2014: Medizinischer Direktor der Roche Pharma AG

1997: Einstieg bei Roche Pharma als Medical Manager in der Onkologie

1983-1990: Studium Humanmedizin (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)


Der Pharmahersteller Roche ist Weltmarktführer im Bereich Onkologie. Das sah vor 20 Jahren noch ganz anders aus, als Dr. Stefan Frings nach seinem Facharzt ausstieg, um in den Pharmabereich zu wechseln. Damals arbeitete er in einem Team von zwei Mitarbeitern. Heute ist er Medical Director für Roche Deutschland und hat den Aufstieg von Roche in der Onkologie in verschiedenen Positionen im Unternehmen begleitet. Im Magazin arzt&karriere berichtete er im Interview von Forschungsmilliarden, großen Erfolgen in der Onkologie und wie man mit dem Scheitern einzelner Forschungsprojekte umgeht.

Herr Dr. Frings, wo haben Sie Medizin studiert und wie war Ihr medizinischer Werdegang?

Ich habe an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf studiert. Nach meinem Studium habe ich meinen Zivildienst als Arzt in der Inneren Medizin in Krefeld abgeleistet. Dort bin ich das erste Mal mit der Onkologie in Berührung gekommen. Nach ein paar Jahren in Krefeld bin ich an das West-deutsche Tumorforschungszentrum gewechselt und habe zwei Jahre lang an der Klinik für Knochenmarkstransplantation in Essen gearbeitet. Dort habe ich auch meine Facharztprüfung für Innere Medizin abgelegt.

Und dann sind Sie in die Pharmaindustrie gewechselt?

Nein, ich bin danach wieder ans Klinikum Krefeld gegangen, denn dort hatte man mir einen unbefristeten Vertrag angeboten. Ich war damals frisch verheiratet, ein Kind war unterwegs und ich dachte mir: Ein unbefristeter Vertrag ist genau das, was ich in dieser Situation brauche! Das war ja Ende der neunziger Jahre in der Generation der Babyboomer gar nicht so leicht. Aber dann, im neuen Job, noch in der Probezeit, dachte ich mir: Das kann es doch nicht gewesen sein. Mein Berufsleben lag plötzlich vor mir wie eine lange gerade Straße mit Blick auf den Horizont. Das ist ja wie lebenslänglich! Die nächsten vierzig Jahre möchte ich meinen Beruf nicht so ausführen.

Und dann haben Sie Ihren Ausstieg geplant?

Nein das war ganz anders. Damals durften — oder besser mussten — Ärzte ja noch diese 36-Stundendienste leisten. Ich hatte einen solchen gerade hinter mir, war die ganze Nacht auf den Beinen gewesen und traf in unserer onkologischen Tagesklinik eine Roche-Außendienstmitarbeiterin, die uns damals in der Klinik gut betreut hat. Ich fragte sie mitten in meiner Übermüdung und meinem Frust spaßeshalber: Habt Ihr bei Roche nicht eine Stelle für mich?

Das klingt ja nach einem Bilderbuch-Einstieg! So sind Sie also zu Roche gekommen?

Das war genauso, wie ich es Ihnen gerade erzählt habe. Sie rief direkt in der Roche Deutschland Zentrale an. Dann sprach ich kurz mit einem dortigen Mitarbeiter. Anschließend habe ich meine Unterlagen geschickt und nach zweimaliger Vorstellung nahm ich das Angebot zu Roche zu wechseln an. 1997 fing ich dort an und damals war Roche in der Onkologie ein wirklich kleiner Player. Aber mich hat genau das auch gereizt. Ich wollte ja ebenso wie Roche auch etwas Neues anstoßen. Das Unternehmen war mir aus meiner ärztlichen Tätigkeit bekannt, verfügt über gute Präparate, investiert in Innovationen und will in der Onkologie was erreichen.

Was war denn genau Ihr Einstiegsjob bei Roche?

Ich betreute zu Beginn zwei Medikamente. Als ich bei Roche einstieg, war das eine noch in der Entwicklungsphase gegen Brust- und Dickdarmkrebs. Es war meine Aufgabe, mit meinen internationalen Kollegen herauszufinden, wie man den Wirkstoff am besten für den Nutzen der Patienten und Ärzte einsetzen kann. Wir haben dann ein großes Programm für die adjuvante Therapie bei Dickdarmkrebs aufgesetzt. Das war sehr spannend und ich habe viel gelernt. Die Studien, die wir damals aufsetzten, haben dann letztlich zu einer globalen Zulassung von Europa über die USA bis nach Japan geführt. Die Zulassung für das Medikament gegen Brustkrebs kam schon früh in den USA und in Europa erst gegen den Dickdarmkrebs. Erst in einem zweiten Anlauf wurde es in der EU auch gegen Brustkrebs zugelassen.

Wie lange haben Sie an diesem Medikament gearbeitet?

Relativ lange, zunächst zwei Jahre in Deutschland, dann ein halbes Jahr in Basel und dann noch weitere zweieinhalb Jahre in New Jersey. International zu arbeiten hat mich gereizt. Für uns als Familie war das auch ein persönlicher Gewinn: Meine beiden Kinder sind zweisprachig aufgewachsen und wir haben einen neuen Kulturkreis kennengelernt. Und als wir uns dann gesagt haben, dass wir Europäer sind und wieder zurück nach Deutschland wollen, war das auch kein Problem in der Firma.

Sie haben dann nahtlos an dem Medikament in Deutschland weitergearbeitet?

Nein, ich habe mir dann innerhalb des Konzerns eine neue Aufgabe gewählt und ein neues Medikament mitentwickelt. Damals experimentierten wir mit einem Wirkstoff aus der Gruppe der monoklonalen Antikörper, für den wir im Bereich des HER-2 positiven Brustkrebses eine Studie aufgesetzt haben. Diese war durchschlagend erfolgreich – nachdem zuvor mehrere Studien in HER2-negativem Brustkrebs oder HER2-unselektierten Indikationen keine beeindruckenden Ergebnisse gezeigt hatten. Mittlerweile ist das Medikament sehr erfolgreich weltweit zugelassen. Wir haben bei Roche einige sehr, sehr erfolgreiche Medikamente im Bereich Onkologie eingeführt.

Dann hat sich das Team also mittlerweile etwas vergrößert?

Das kann ich uneingeschränkt bejahen. Roche ist weltweit Marktführer in der Onkologie. Im gesamten Konzern haben wir mittlerweile über 15.000 Forscher über alle Therapiegebiete hinweg.

Das klingt sehr erfolgreich, aber trotzdem ist der Ruf der Pharmabranche trotz aller medizinischen Innovationen und Durchbrüchen nicht uneingeschränkt gut. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Weil viele die Misserfolge in der Forschung nicht richtig einschätzen und beziffern können. Wir investieren pro Jahr neun Milliarden Euro in Forschung. Die öffentliche Forschung wäre finanziell gar nicht in der Lage, so etwas zu leisten. Aber nur eine von zehn Substanzen, die bei Menschen getestet werden, schafft den gesamten Weg bis zur Zulassung, wahrscheinlich sind es sogar weniger. Gerade Anfang des Jahres stellten wir ein großes Programm in der Onkologie ein. Wir hatten gute Daten, eine interessante Hypothese, tolle präklinische Modelle inklusive einer Zulassungsstudie und die war dann leider negativ. Die Daten ließen uns zunächst glauben, dass wir erfolgreich sein werden. Aber die Studie zeigte: Wir stellen das Projekt ein.

Wie geht man eigentlich damit um, wenn man weiß, dass man gerade einen mehrstelligen Millionenbetrag versenkt hat?

Wir veranstalten eine Party! Wir feiern den Misserfolg.

Habe ich mich verhört?

Nein, das ist Teil unserer Firmenkultur. An den Projekten haben richtig gute Leute mitgearbeitet und ihr Bestes gegeben, um gemeinsam im Sinne der Patienten Erfolg zu haben. Globale Teams, die ein Projekt beerdigen, weil es letztlich keine Aussicht auf Erfolg hat, werden mitunter auch von unserem CEO Severin Schwan eingeladen. Er möchte uns damit zeigen, dass Null-Risiko-Strategien nicht dazu führen, dass wir uns gemeinsam weiterentwickeln. Das Unternehmen ist sogar dankbar dafür, wenn wir eine klare Entscheidung treffen und eine gute Begründung dafür liefern. Man verliert bei Roche nicht den Job, weil man sein eigenes Projekt abschießt. Es wäre doch schade, ewig an einer Sache weiter zu basteln und am Ende noch mehr Geld auszugeben. Lieber eine klare Entscheidung basierend auf guten Analysen und Daten und dann auf zur nächsten Idee und deren Umsetzung.

In der Pharmaindustrie werden ja öfter auch mal erfolgreiche Medikamente von Mitbewerbern „nachgebaut“. Wie stehen Sie bei Roche zu solchen Präparaten?

Das ist nicht unser Anspruch. So etwas machen wir nicht. Wir bei Roche stehen für Innovationen. Was uns antreibt, ist der Wunsch, neue Wirkstoffmechanismen als Erster zur Marktreife zu bringen. Durch unsere Präparate wollen wir medizinische Standardwerke „neu schreiben“ und die medizinische Wissenschaft entscheidende Schritte nach vorne bringen. Wir haben es gerade geschafft, einer Patientengruppe im Bereich Brustkrebs im Schnitt das Leben um fast sechzehn Monate zu verlängern. Das ist ein richtig großer Erfolg. Dieses Medikament wird einen neuen Standard in einem Teil der Brustkrebstherapie setzen.

Welche Funktion füllen Sie denn heute bei Roche aus?

Aktuell bin ich der Medizinische Direktor bei Roche in Deutschland für alle Bereiche, nicht nur für Onkologie, obwohl dieser Bereich gerade in Deutschland mit achtzig Prozent unseres Umsatzes sehr stark ist. Weltweit macht dieser Bereich sechzig Prozent unseres Umsatzes aus. Aber wir entwickeln auch Präparate im Bereich Rheuma, Asthma oder Multiple Sklerose. Ich arbeite in einem Team von ungefähr dreihundert Mitarbeitern. Wir bringen Strategien und Studien auf den Weg, beschäftigen uns mit Medical Management, Safety-Themen, Clinical Operation, Zulassungen, Statistik, Qualitätssicherung und Epidemiologie. Und glauben Sie mir bitte: Mein Arbeitstag ist nie langweilig und meist viel zu schnell vorüber.

Wenn ein Arzt heute bei Roche einsteigt, wie kann man sich dann seine Tätigkeit in Ihrem Unternehmen vorstellen?

Ich nenne Ihnen einfach ein Beispiel: Wir haben bei Roche ein sehr interessantes Traineeprogramm für Ärzte, das sehr gut angenommen wird. Die Teilnehmer durchlaufen hier im Haus im Bereich Medical Affairs alle Stationen wie Operation, Safety, Medical Information und Medical Management. Das sind dann meist Mediziner in ihrer frühen ärztlichen Karriere, Fachärzte oder zum Teil auch Mediziner, die direkt aus dem Studium kommen. Um wissenschaftliche Diskussionen mit Meinungsbildnern in den Kliniken und Krankenhäusern zu führen, brauchen wir allerdings gestandene Ärzte, die auch selber die Krankheitsbilder verstehen und behandeln können. In diesem Bereich suchen wir Fachärzte.

Was würde sich der damalige Assistenzarzt Stefan Frings denken, wenn er Sie heute in Ihrer Funktion erleben würde?

Der würde, genauso wie ich das bisweilen heute noch tue, etwas erstaunt darüber sein, dass ich heute diejenigen persönlich treffe, von denen ich als Assistenzarzt in der wegweisenden medizinischen Standardliteratur bewundernd gelesen habe. Wir organisieren bei Roche internationale Advisory Boards. Dort diskutieren wir mit den besten Medizinern weltweit, in welche Richtung sich die Forschung weiterentwickeln könnte. Ich hätte mir das in meinem damaligen Klinikalltag nicht im Traum vorstellen können. Ich hatte ja beschrieben, dass ich als Assistenzarzt zu Roche gewechselt bin, weil mir damals eine neue Herausforderung gefehlt hatte. Meine Entscheidung war richtig. Im Schnitt habe ich bei Roche alle zwei Jahre etwas Neues gemacht. Und genau das füllt mich auch aus.

Dieses Interview ist in der Ausgabe 1/2015 des Magazins arzt & karriere erschienen.
Das Magazin arzt & karriere wird Vom Verlag Evoluzione Media AG herausgegeben.

 
Stefan Schmidt